Praxisworkshop mit Forschungsergebnissen und Kommentaren
aus gewerkschaftlicher, wohlfahrtsverbandlicher
und engagementpolitischer
Perspektive.
Nach Jahrzehnten des wohlfahrtsstaatlichen Wandels und der Unterfinanzierung
von sozialer Daseinsvorsorge und sozialen Diensten
in einer alternden Gesellschaft gewinnt unbezahlte (Sorge-)Arbeit
–
auch jenseits des Privathaushalts – politisch an Bedeutung. Es sind
Versorgungslücken in Bereichen wie der Altenpflege, der schulischen
Ganztagsbetreuung, der Unterstützung von Familien und Geflüchteten
sowie in der kommunalen Infrastruktur entstanden, die durch den
Wandel der Geschlechterverhältnisse verschärft werden: Immer weniger
Frauen stehen ganztägig als unbezahlte Ressource zur Verfügung,
auch wenn sie weiterhin einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit
übernehmen. Diese Situation stellt insbesondere kommunale Akteure
vor große Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund spielen Formen der Freiwilligenarbeit in
Gestalt des klassischen Ehrenamtes, des bürgerschaftlichen Engagements,
der Freiwilligendienste und der Nachbarschaftshilfe eine
wachsende Rolle. Das Enagement wird in zentralen Bereichen der
Daseinsvorsorge
nicht nur staatlich umfassend gefördert und ausgebaut,
es wird zusätzlich – wissenschaftlich, politisch und medial – von
einer starken Affirmation getragen: Betont werden die gesellschaftliche
Sinnhaftigkeit und die individuelle Sinnstiftung dieser Tätigkeiten
sowie ihre Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in
strukturschwachen Regionen und unterfinanzierten Kommunen.
Sehr viel seltener wird Freiwilligenarbeit dagegen auf ihre arbeitsmarkt-
und sozialpolitischen Kehrseiten, auf mögliche prekarisierende
und/oder deprofessionalisierende Effekte befragt und weitgehend
unbeantwortet ist die Frage, ob das freiwillige Engagement neben
allen Vorzügen auch ein Motor der Informalisierung von Arbeit und
Sorge sein kann.
Diese Forschungslücke zu schließen, war das Ziel des Projekts »Neue
Kultur des Helfens oder Schattenökonomie? Engagement und Freiwilligenarbeit
im Strukturwandel des Wohlfahrtsstaats«, das von 2017
bis 2020 von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde und am Institut
für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena angesiedelt
war. Im Rahmen des Workshops werden zentrale Forschungsergebnisse
präsentiert und mit Expert*innen aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden
und dem Bundesnetzwerk für Bürgerschaftliches
Engagement diskutiert. Der Workshop richtet sich an alle, die – beruflich
oder engagiert – mit Freiwilligenarbeit befasst sind, sei es in der
kommunalen Verwaltung, im Wohlfahrtsverband, in einer Freiwilligenagentur
oder Stiftung, im Stadtteilzentrum, in der Kirchengemeinde
oder im Unternehmen.
Anmeldung bis zum 10.1.2022 unter › kristin.guertler@uni-jena.de